Da wir noch etwas länger unterwegs und wach waren, war es eine kurze Nacht als wir um 9:30 aufgestanden sind. Schnell fertig gemacht und angezogen ging es direkt raus und wie im letzten Eintrag erwähnt, stolpern wir dabei direkt in den Markt von Tamsui mit seinen süßen, kleinen Gässchen. Vorbei an frischem Fisch, verschiedensten Gewürzen und natürlich auch Schweinefüße und Hühnerfüße, schließlich eine beliebte Delikatesse hierzulande.
Nachdem wir unseren Rundgang über den Markt beendet haben, sind wir direkt in die zentrale Einkaufsstraße weitergezogen und haben dort etwas geshoppt. Auf der Suche nach den besten Souvenirs findet man ja immer wieder allerhand Interessantes und neben dem obligatorischen Magneten gibt es hier zum Beispiel auch vakuumierte Iron Eggs, welche erstmals 1980 in Tamsui vertrieben wurden. Dafür werden Hühner-, Wachtel- und Taubeneier immer wieder aufs neue in einer mit vielen Gewürzen vermengten Sojabrühe gekocht, bis die Eier schlussendlich eine dunkelbraune Färbung sowie einen reichhaltigen, umami Geschmack haben. Die Konsistenz ist etwas kaugummiartig. Oder aber eine Vielzahl an Holzspieluhren und Wackelköpfen, von Comicfiguren bis hin zu Berühmtheiten.
Nachdem wir schließlich alle Einkäufe getätigt hatten, gab es ein kurzes Mittagessen, bevor es endlich zu dem Eisladen in der Nähe unserer Unterkunft ging.
Eigentlich wollte ich schon gestern dort ein Eis essen, aber leider war der Laden bereits geschlossen, als wir vom Abendessen zurückgekommen sind. Auch beim heutigen ersten Besuch war der Laden noch zu, da er erst um 13 Uhr öffnet. Nun war es aber endlich so weit und der Laden hat eine Vielzahl von Möglichkeiten: Art-Softeis, Kugeleis in 6 verschiedenen Geschmaksrichtungen (die Pistazie konnte man noch vor dem Laden riechen), Frucht-Wassereis sowie Eis am Stiel in Hundeform. Ich rede hierbei nicht von leichten Formen in einfacher Geometrie, sondern von liebevoll designtem Eis am Stiel, aber seht selbst.
Allerdings hatte ich mein Auge auf etwas anderes geworfen und wollte viel lieber das Schokoladeneis haben, das es ausschließlich als Art-Softeis gab. Kein Problem ein bisschen Kunst schadet nie und das Auge ist schließlich mit. In dem Fall sogar etwas zu viel, denn das Eis zu essen schmerzte mich auf Grund der Detailliebe schon sehr. Ein Schockgefrieren und Mitnehmen von dem Eis erschien mir eine ebenso gut Alternative. Schlussendlich konnte ich mich überwinden, möglicherweise auch auf Grund der langsam an meiner Hand herunterlaufenden Schokolade. Das Eis verputzt, um den Mund und an den Händen komplett mit Schokolade verschmiert, fühlte ich mich pudelwohl; das Eis war ein absoluter Hochgenuss!
Nun hieß es Abschied nehmen von Tamsui. Im Unterschied zur Ankunft hat es heute nicht geregnet und wir sind trocken am Bahnhof angekommen. Der Zug stand bereits dort und wir konnten uns direkt auf einen leeren Platz setzen. 1 Stunde später waren wir wieder mit der 18 in Istanbul… ähm mit der roten Linie in Taipei. Dort sind wir direkt weiter zum Busbahnhof, um auf den Bus 1062 nach Jiufen zu warten. Im Bus machten wir es uns gemütlich und nahmen das Buch zur Hand, schließlich soll die Fahrt etwas mehr wie 1 Stunde dauern, auch laut Google. Als die Häuserreihen nach 40 Minuten immernoch überraschen dicht und hoch erschienen – und nein wir hatten kein Stau -, befragte ich Google aufs Neue: Und hey, immerhin ist es hierbei konsistent, denn vom neuen Standpunkt aus sollte es noch 40 Minuten dauern. Also Moment 20 Minuten Google entsprechend 40 Minuten Realität?! Das kann ja nicht sein, wahrscheinlich hat mein Handy mich falsch geortet! Leider nein…. Das Handy beharrt trotz intensiver Anstarrbemühungen auf seinen aktuellen Standort. Na gut, da ist wohl nichts zu machen. Nachdem 1:20 rum sind erfolgt die nächste Befragung und es bewahrheitet sich…laut Google noch 20 Minuten. Mit einer deutlich längeren Busfahrt von knapp über 2 Stunden sind wir schließlich in Jiufen angekommen.
Innerhalb von Taiwan wird Jiufen auch als City of Sadness bezeichnet. Der Film von 1989 wurde in Jiufen gedreht und erlangte ziemliche Berühmtheit. In vielen Läden und Restaurants hängen signierte Bilder vom Filmplakat und auch der Navy Soldat aus Taipei meinte „aaah to City of Sadness“, als er von den Jiufen Plänen hörte. Mit einer Bewertung von 7,8 auf IMDB scheint der Film in der Tat ziemlich gut zu sein und landet erstmal auf meiner Watchlist für zu Hause.
Viel erstaunter war ich, als ich in mehreren Souvenirläden kleine Figuren oder Rucksäcke von Ohnengesichter (Kaonashi „the faceless“) gesehen habe. Diese sind Hauptfiguren von Chihiros Reise ins Zauberland, auch bekannt als spirited away, dem zweiterfolgreichsten, reinen Anime Film der Geschichte! Folglich war für mich viel wichtiger, warum sind hier überall Kaonashis!? Es stellt sich heraus das sich Miyazaki für das Setting seines Animes von Jiufen hat inspirieren lassen. Jetzt möchte ich erst recht sehen, wie die Stadt aussieht.
Zunächst müssen wir aber erst was essen gehen, denn wir haben mittlerweile Hunger. Etwas doof ist nun, dass wir auf Grund der längeren Fahrzeit erst um 19 Uhr angekommen sind und bei der Restaurantsuche feststellen durften, dass es keine Großstadt mehr ist. Die Lokale hatten um 19:30 mehrheitlich bereits zu, und wir mussten etwas Suchen bis wir eines entdeckten und das hat sich richtig gelohnt. Bei den hiesigen Verhältnissen von 21°C und den vielen Treppen einer am Berg gelegenen, idyllischen Kleinstadt, haben wir ein super süßes, altes und rustikales Restaurant entdeckt. Auf alten Holzbänken vor einem 50cm breiten, ebenfalls uraltem Holztisch nahmen wir Platz, bestellten 1 Taiwan Bier sowie einen Tee. Die übersichtliche Speisekarte ließ auf einen fokussierten Koch schließen und wir bestellten ein wildes Sammelsurium an Speisen, insgesamt 6, aus dem wir schlemmen konnten. Von Xialongboa (ihr erinnert euch an die Teigtaschen in Taipei) über Braised Pork Rice, lokale Wurst und verschiedene Gemüsevariationen. Das Ganze war einfach nur ein kulinarisches Highlight und das Restaurant vollkommen zurecht bei über 3000 Bewertungen mit 4,7 Sternen bewertet. Das Essen war so gut, dass Isa sogar einen Ausnahmeabend vom Vegetarier-Dasein genommen hat und sich den köstlichen Teigtaschen angenommen hat.






Mal wieder hervorragend gesättigt und aus dem Restaurant kugelnd fehlt jetzt also noch der abendliche Spaziergang durch Stadt, um die überschüssigen Kalorien natürlich im vollen Umfang wieder abzutrainieren. Perfekt, dass Jiufen am Berg liegt und man in kurzer Zeit viele Höhenmeter zurücklegen muss. Zielstrebig ging es also zum obersten Punkt der Stadt, doch das ist gerade in Jiufen gar nicht so leicht. Wer Spirited Away of City of Sandess kennt, der weiß wovon ich spreche. Das „Straßensystem“ ist historisch gewachsen und besitzt absolut keinerlei Logik, sondern gleicht einem Irrgarten von ausschließlich schmalen, süßen und maximal verwinkelten Gässchen in dieser absoluten auf kleinstem Raum gebauten Stadt, die keinerlei Freuflächen hat. Wahrscheinlich noch viel mehr verwinkelt, als man es sich vorstellen kann, bevor man hier war. Europäische mittelalterliche Städte besitzen gegenüber Jiufen außerordentlich breite und gerade Straßen! Die noch verhältnismäßig zielstrebigste Straße, ist die Marktstraße mit einer S-Form und einer Breite von ca. 2,5m. Nicht selten geht man 10 Treppenstufen nach Norden hinauf, 3m nach Westen, eine schräg nach Nord-West verlaufende Treppe von 5 Stufen hinauf, dann den 80cm breiten Pfad für 15m Richtung Westen entlang, der an der Rückwand eines Hauses entlangläuft, bevor eine erneute Treppe in Richtung Nord-Osten über 20m wieder in die ursprünglich angestrebte Richtung zurückführt.
Unterwegs ergeben sich viele interessante Einblicke in das Stadtleben, spannende architektonische Verwirklichung, aber vor allem von ganz oben ein absolut wundervoller Ausblick über Jiufen und die Buchten von Taiwan. Diese Station ist absolut sein Ziel wert!
Den Ausblick haben wir noch eine Weile genossen, bevor wir uns auf den Rückweg Richtung Unterkunft begeben haben. Den gleichen Rückweg zu nehmen ist für einen nicht-local quasi unmöglich, weshalb wir quasi schon unfreiwillig auf dem Rückweg wieder weitere spannende Eindrücke gewinnen und neue Gässchen sehen durften.
Morgen geht es weiter in Jiufen und wir werden eine Wanderung unternehmen.
Stay tuned for the next episode und was sich alles interessantes bei der Wanderung ergeben hat.
Liebe Grüße nach Deutschland!